Geht das noch?
Ist das zeitgemäß?
Verpasst man dann nicht was?
Hat man dann sein eigenes Leben nicht mehr im Griff?
Fehlt einem dann Disziplin?
Verrückt, dass ich mir solche Fragen an einem Tag stelle, an dem ich den Laptop nicht genutzt habe, um mein Engagement bei Instagram hochzutreiben oder etwas zu schreiben, was ich unbedingt noch schreiben wollte. An einem Tag, an dem ich nicht einmal geschafft habe, tatsächlich nichts zu tun.
Mich beschäftigen solche Gedanken an einem Tag wie diesen, an dem ich nur einkaufen war, nur Sport gemacht habe, nur 1-2 Kleinigkeiten für ein Projekt erledigt habe.
Das reicht doch nicht! Das ist doch nicht produktiv!
Noch vor ein paar Jahren habe ich es geliebt, mal einen Tag zu haben, an dem ich auf dem Sofa liege, mich von N24-Dokumentationen über Tiere berieseln lasse und am liebsten die Zeit anhalten möchte, damit es noch etwas länger dauert. "Kann Sonntagabend nicht noch 2-3 Stunden länger sein?" Es gab aber auch nicht die Masse an Interessen. Ich habe gearbeitet, um Geld zu verdienen. Bloß keine Überstunden.
3-4 Mal die Woche hatte ich Breakdance-Training für einige Stunden. Am Wochenende mal eine Jam (Breakdance-Event). Das war es! Ansonsten habe ich mich mit Freunden getroffen, hier und da ein bisschen geshoppt und ab und zu gefeiert.
Ich hatte nicht diesen Zwang, ständig produktiv sein zu müssen. Habe mich sonntags nicht um 21 Uhr ins Bett gelegt, um fit für Montag zu sein. Fit für die Arbeit!
Nicht das Bedürfnis gehabt, jeden Morgen um 5 Uhr aufzustehen, weil ich sonst das Gefühl habe, den Tag nicht richtig zu nutzen.
Das hat sich alles erst in den letzten Jahren entwickelt. Ist das normal? Ist es eine Entwicklung des Charakters, die man nun mal als erwachsener Mensch macht? Ist es eine Art von Verantwortungsbewusstsein? Kontrolle über das eigene Handeln? Oder treibt einen das schnelle Zeitalter, die Gesellschaft und die Arbeit dazu? Hat man also gar keine Kontrolle, sondern lässt sich treiben, muss funktionieren? Hat das Leben als Erwachsener einen Algorithmus, ähnlich wie auf Social Media?
Bin ich doch eine Maschine?
Ich habe ja nicht mal Kinder. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie gestresst ich wäre, wenn ich auch noch verantwortlich für kleine Menschen wäre, die abhängig von mir sind. Wie soll das denn noch auf meine To-do-Liste passen? Oder ist genau das notwendig, um zu begreifen, dass all dieser Druck, den man glaubt zu haben (gar zu brauchen), es nicht wert ist? Dass das Leben viel einfacher sein könnte? Damit will ich nicht sagen, dass Kinder haben einfacher ist, als mein jetziges privilegiertes Leben zu führen. Aber vielleicht versteht man in solch einer Situation, was wirklich wichtig ist im Leben. Wahrscheinlich sogar.
Geht es mir einfach zu gut? Bin ich überfordert, weil es mir zu gut geht? Weil ich in der Lage bin, all das zu machen, was ich möchte? Sollte ich nicht zu schätzen wissen, dass ich mir all diese Dinge vornehmen und durchsetzen kann, wie, wann und wo ich es will? Jammere ich hier gerade auf einem viel zu hohen Niveau? Lasse ich mich von dem Algorithmus so steuern, dass ich mir einbilde, gestresst zu sein? Weil ich mir von YouTube erzählen lasse, wie ich mich zu ernähren habe, wie ich Sport zu machen habe, wie ich auszusehen habe, wie ich all die Aufgaben, die ich mir aussuche und selbst aufzwinge, in 24 Stunden organisiert bekomme?
Irgendwie selbstbestimmt, irgendwie fremdbestimmt.
Als ich diesen Text angefangen habe, hätte ich nicht gedacht, dass es so selbstreflektierend ausartet. Ich hatte mir Stichworte gemacht, in denen es heißt, das "aktive Nichtstun" zu planen etc. Stattdessen sollte ich zelebrieren, dass mir all diese Möglichkeiten zur Verfügung stehen.
Ich habe Lust, Videos zu machen oder Texte zu schreiben? Mach ich!
Ich habe Lust, zu verreisen und Sprachen zu lernen? Mach ich!
Ich habe Lust, ins Fitnessstudio zu gehen und mich gesund zu ernähren? Mach ich!
Klar arbeite ich auch hart und viel, um mir das finanziell zu ermöglichen. Aber ich kann das alles machen. Ich darf das alles machen. Das sollte ich mir vor Augen halten, das sollte ich viel mehr zu schätzen wissen.
Und naja, das wollte ich mal los werden.
Danke, ihr Lieben!
Danke für die offene Reflexion. Ich kenne das. Aber ich habe lernen dürfen, dass Pausen produktiv sind. Experten sind sich einig, dass für die meisten Menschen eine Pause nach 90 Minuten sinnvoll und notwendig ist. Verantwortlich dafür ist die Leistungskurve unseres Gehirns, welches sich nach dieser Zeit erholen muss. Bereits kurze Pausen haben einen grossen Effekt: Du arbeitest produktiver und machst weniger Fehler. Dieses Wissen hat bei mir zu einem Perspektivwechsel geführt: Ich mache Pausen unterschiedlichster Art, um z.B. neues Wissen oder neue Informationen zu integrieren. U.a. deshalb, um später auf neue Ideen für aktuelle Herausforderungen zu kommen. Diese Pausen darf ich gestalten. Das macht mir viel Freude und bringt viel. Wie @Anne Tröst schon schrieb: Das Leben sollte Spaß machen. 🫶
Ich glaub, am Ende ist wichtig, dass das Leben Spaß macht – egal ob mit oder ohne Kindern, viermal Breakdance in der Woche oder sieben Tage lang mal gar nichts tun. Denn das Schöne ist, dass Spaß für jeden von uns anders aussehen kann.